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© 2022 by Heinz Hermann Maria Hoppe
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Neuronen sind auf Spannungsänderungen spezialisierte Zellen. Durch Zellmembranen fließen Ionenströme. Dendriten nehmen die Erregung von anderen Zellen auf. Im Axonhügel werden analoge in digitale Signale umcodiert … Unser Nervensystem basiert auf Impulsen, Erregungsübertragungen und Signalverarbeitung. Fließt die Spannung zur falschen Zeit am falschen Ort, werden wir verrückt. Fällt sie aus, sind wir hirntot. Wir sind elektrisch. ///
Marshall McLuhan prägte den Satz »Das Medium ist die Botschaft«. Werkzeug und Medium prägen Bildidee, Ausführung und Signal. Zeichnungen, Malereien und Plastiken übertragen seit Jahrtausenden Codes. Digitale Kunst basiert dagegen schon im Entstehungsprozess auf elektrischer Codierung. Man kann digitale Kunst nicht ›in Öl‹ malen. Die Bilder sind flüchtig, Pixel ersetzen Pigmente. Ohne Strom kann erst gar kein Bild entstehen. Mit digitalen Werkzeugen kann elektrische Spannung aber in spannende Bildwelten transformiert werden. Digitale Kunst ist elektrisch. ///
Pythagoras dachte, Licht würde durch heiße Sehstrahlen von den Augen ausgesendet. Physikalische Experimente bewiesen erst sehr viel später die Zusammenhänge der elektromagnetischen Strahlen, die unsere Sehnerven erreichen. Die Quantenphysik entdeckte den Strom der Photonen, nochmals später wurden die Regeln der Elektrodynamik verstanden. Als Fotograf ›malt‹ man also mit elektrischen Lichtteilchen und bildet elektromagnetische Wellen ab. ///
Über alle Bildträger hinweg verbindet Kunst Ideen mit Menschen. Kunst codiert und erregt über Impulse und Signale – analog und digital. Interessant sind die Wortparallelen: ›Spannung‹, ›Erregung‹, ›Code‹, ›Impuls‹, ›Strömung‹ und ›Signal‹ sind auch innerhalb der Bildgestaltung Schlüsselwörter. ///
h:h:m:h erschafft digitale Bildwelten.
Christen verlassen die Kirchen. Ist ihr Glauben verloren? : : :
Zu den digitalen Gemälden der Bildserie ‘Exodus’ : : :Wenn die letzten überwachungsfreien ›Reservate‹ fallen, gibt es kein Zurück mehr : : :
Zu den digitalen Gemälden und der Projektion ‘Poem About Fear’ : : :Überwachungstechnik soll Sicherheit und Ordnung gewährleisten. Wie frei bewegen wir uns wirklich, mit künstlichen Augen im Rücken? : : :
Zu den digitalen Gemälden ‘Eyes of Order’ : : :Durch hemmungslose ›Wachstumsabsichten‹, durch Dürren und durch Schädlinge werden weltweit riesige Waldgebiete vernichtet : : :
Zur Bildserie ‘Evocation of the Forest’ : : :In New York City verdichten sich Impulse und Konsum-Umsätze. Auf den Schattenseiten werden sie von Sorgen und Herzinfarkten eingeholt : : :
Zu den Collagen ‘NYC United Multiple Views’ : : :Noch ist die gesellschaftliche Akzeptanz von Designer-Babys nicht reif für den Markt : : :
Zur Bildserie ‘TransCRISPRians’ : : :Eine neue Heißzeit treibt die Menschheit um. Im Wettrennen gegen das ›Fieber der Erde‹ hat ein technologisches Aufrüsten begonnen : : :
Zur Bildserie ‘Children of Icarus’ : : :Unser Verhältnis zu Geld ist krankhaft. Wir wollen immer mehr davon und sind sogar bereit, unser Glück und unsere Lebensgrundlagen zu verkaufen : : :
Zur Bildserie ‘El Dorado 4.0’ : : :Durch die Corona-Pandemie sind menschliche Bindungen unterbrochen, manch einer stirbt einsam und an Gram : : :
Zur Projektion und zu den Bildsequenzen ‘In Isolation’ : : :Digitalisierung und Künstliche Intelligenz sollen die Arbeit revolutionieren. Aber was wird aus den Arbeitnehmern? : : :
Zur Bildserie ‘Sisyphos at Work’ : : :Mit der Kernspaltung entließen Wissenschaftler den Geist für die Entwicklung von Atombomben in die Welt : : :
Zur Bildserie ‘Angel of Fire and Fury’ : : :Mit dem Klimawandel wandern wir am Abgrund. Bilder und Fragen zu unseren Horizonten : : :
Zur Bildserie ‘At the Edge of the CO2 Sphere’ : : :Mit den Nachrichten zur weltweiten Verbreitung einer neuen Seuche wurde alles anders : : :
Zum Bild ‘Birth of Corona’ : : :Wir brauchen Insekten zum Überleben. Aber sie verlassen uns gerade : : :
Zur Bildserie ‘Insects Leave Now’ : : :Schicksalsschläge, ›die Hölle auf Erden‹ und ausgleichende Gerechtigkeit. ›Sünder‹ aus der Göttlichen Komödie von Dante digital interpretiert : : :
Zur Bildserie ‘Dante 2020’ : : :Organische Lebewesen und Biotechnologien verbinden sich zu künstlichen Hybriden : : : Eine künstlerische Vision : : :
Zur Bildserie/den Animationen ‘Deep Sea Creatures’ : : :Wie lange erträgt uns die Erde noch? Menschliches Wachstum hinterfragt : : :
Zum Bilderzyklus ‘Mankind, multiplying’ : : :Die Zukunft der Schönheit. Über Algorythmen und Kreativität : : :
Zum Bild ›Calculated Beauty‹ : : :Alle folgenden Beiträge sind Kommentare.
Autor: Heinz Hermann Maria Hoppe
Eine Online-Überweisung ist ein virtueller Vorgang. Unser Geld haben wir nie gesehen. Wir übergeben es nicht persönlich, es existiert in Form von Daten. Außer ein paar Wischern auf einem glatten Display gibt es nichts anzufassen. Der frühere Weg zur Bank wird durch Online-Banking ersetzt. Webdesign ersetzt das Erscheinungsbild vor Ort – den Teppichboden in der Filiale, das Holzfurnier des Bankschalters. Statt einem Händedruck bekommen wir ein gepixeltes Portrait unseres ›persönlichen‹ Bankberaters auf den Monitor gespiegelt, gelegentlich auch schon einen Avatar. Beraten, informieren, Vertrauen herstellen und bewahren erfolgen nicht mehr unter vier Augen. Online-Chats mit Robots ersetzen E-Mails, SMS und das Telefonat mit dem Mitarbeiter aus Fleisch und Blut. Noch nicht immer zufriedenstellend, aber man arbeitet daran. Unsere eigene Identität bestätigen wir per Zahlencode, der Überweisungsträger aus Papier ist passé, die Unterschrift auf Papier nur noch ein Relikt.
Unsere körperlichen Erfahrungsräume werden virtualisiert. Wir sind noch nicht angekommen in der reinen Virtualität und werden es wohl auch nie ganz sein, weil wir an unsere Körper gebunden sind. Aber unsere geistigen ›Tätigkeiten‹ sind auf dem besten Weg. Die Veränderungen in unserem Leben durch den weltweiten Umbau in digitale Prozesse sind epochal und in vollem Gange. Virtualität wird in unser Leben hineinfiltriert wie ein trojanisches Pferd.
Das Gefühl, man selbst zu sein, ist zunächst eine Simulation. Unser Gehirn berechnet ›Wirklichkeit‹, indem es mögliche Szenarien abgleicht und die wahrscheinlichste Version als Realität ausgibt. Damit sich Realität ›echt‹ anfühlt, ist die glaubwürdige Interaktion mit Körpern erforderlich – mit Menschen, Tieren, Räumen oder Dingen. Ohne Resonanz von außen und ohne Interaktion haben wir keinen Vergleich, keinen Maßstab, um unsere Wirklichkeit zu bestimmen.
Rückkopplungen lassen sich aber auch virtuell geben und in Form von Simulationen ›realisieren‹. Was wird uns als ›Wirklichkeit‹ erscheinen, wenn wir die virtuelle nicht mehr von der echten Welt unterscheiden können? Werden wir uns für die bequemere Welt entscheiden, wenn die Simulationen perfekt geworden sind? Werden wir die Welt wählen, in denen wir weniger Sorgen und Nöte haben, in der alles schön leicht ›von der Hand‹ geht? Warum sollte man in solchen virtuellen Welt nicht glücklicher sein können? Wie echt ist überhaupt noch die ›analoge Welt‹? Oder wird es bei Mischformen bleiben?
Die Armbanduhr ersetzt eine App auf dem Smartphone. Statt aus dem Fenster zu sehen, vertrauen wir der Wetter-App. Webcams holen unsere Urlaubsorte vorab schon mal ein wenig nach Hause. Wir schreiben nicht mehr so oft mit dem Kugelschreiber auf Papier, sondern mit unseren Daumen auf dem Smartphone – mit Gliedern, die sich evolutionär zum Greifen entwickelt haben. Bei Online-Diensten kaufen wir bequem rund um die Uhr in der ganzen Welt ein. Die Terminvereinbarung beim Arzt findet online statt, die Ferndiagnose auch immer öfter. Unsere nächste Liebesbeziehung bahnen wir online an. Unterhaltung, Kundenberatung, Wegfindung – alles digital. Sprechende Musikboxen suchen für uns auf Zuruf nach Informationen zu Wochenend-Veranstaltungen in der Region. Unser Zimmer kann mittels VR-Brille zum Cyber-Lebensraum werden: Unser Körper hält sich zwar weiterhin zwischen zementierten Wänden auf, im Geist können wir aber bereits grenzenlose Dimensionen durchschreiten. Unsere Kinder fahren virtuelle Autorennen in digitalen Landschaften. Fünfjährige laufen, gebannt auf die Screens ihrer Smartphones starrend, durch die Straßen; selbstvergessen, fasziniert und versunken in Parallelwelten. Es wirkt, als würden sie förmlich in die virtuellen Räume gezogen.
Der virtuelle Raum schafft einen gesellschaftlichen Paradigmenwechsel und wir sind mittendrin. Täglich bewegen wir uns ganz selbstverständlich in virtuellen Parallelwelten, in der Arbeit und zuhause – auch ohne 3D-Brillen. Diese Welten sind genau so real wie die Räume unserer Wohnungen. Wir können in ihnen Geschäfte abschließen, uns amüsieren oder Verbrechen begehen. Wir nehmen Kontakt zu anderen Menschen auf und verbinden uns mit ihnen – wie im ›echten‹ Leben. Sie sind längst fester Bestandteil unseres Lebens.
Ein rein virtuelles Leben kann es nicht geben, solange wir an einen Körper gebunden sind. Aber die Grenzen der Virtualität verschieben sich. Schon heute haben bettlägerige Patienten Beziehungen zu Menschen auf anderen Kontinenten, die sie nur als Avatar kennen und die sie nie persönlich treffen werden. Sie suchen Trost in virtuellen Beziehungen.
Neue Produktionsbedingungen sind das Ende der klassischen Industriegesellschaft. Wir leben nicht mehr im Zeitalter der Produktion, sondern in der Zeit der Information. Wissen war schon immer Macht – jetzt sind Daten zur Handelsware geworden. Weil diese Entwicklungen schleichend ablaufen, werden sie uns selten bewusst. Jeden Tag kommen findige Unternehmer auf neue Ideen, um Abläufe weiter zu rationalisieren. Hersteller erfinden sich und jeden einzelnen Produktionsschritt digital neu.
In der Industrie redet man über ›Digitale Zwillinge‹, ›Internet of Thinks‹, ›Cloud-Computing‹, ›Künstliche Intelligenz‹ und ›User Experience‹. ›Position Tracking‹ rechnet die Körpermerkmale von toten Schauspielern auf die bewegten, virtuellen 3D-Knochen von real gefilmten Statisten; aus einem Toten und einem Lebenden wird ein drittes, virtuelles ›Wesen‹ errechnet. Internationale Warenströme fließen zum Effizienztest in virtuellen Simulationen. Produkte und Dienstleistungen werden auf virtueller Ebene geplant, produziert und vertrieben. VR-Brillen spiegeln dem Ingenieur Bauteile in den Raum, durch die er hindurchgreifen kann. Teams aus verschiedenen Erdteilen meeten sich nach dem Mittagessen per Videokonferenz zum Update. Marketing? Virtuelles Bieten auf Klickraten. Die Virtuelle Realität ist längst Wirklichkeit geworden. Wir leben ein gemischtes Leben aus realen und virtuellen Erlebnissen. Unser Leben ist hybrid! Wir sind ›Prävirtuelle‹!
2050: In virtuellen Organisationen sind physische Standorte nicht mehr von Bedeutung. Alte Arbeitsplätze sind wie Gebrauchsgegenstände aus dem Dasein verschwunden. Neue Jobs, Produkte und Dienstleistungen wurden in digitale Äquivalente transformiert. Durch die reduzierte Relevanz der Standorte für Arbeitsplätze und Wohnorte verwischen auch die Grenzen zwischen Arbeitszeit und Freizeit. Arbeit wird gar nicht mehr so als Arbeit wahrgenommen, Freizeit nicht mehr als Freizeit.
Unsere Wahrnehmung hat sich umgekehrt. Die Menschen müssen sich eben irgendwann entscheiden, ob sie in der neuen, virtuellen oder in der alten, analogen Welt leben wollen. Es gibt ein Art Qualitätssiegel für nostalgische Premium-Produkte: ›echte‹, körperlich erfahrbare Umgebungen in der alten Welt. Sie werden als historische Erlebnisreisen verkauft, so wie früher Studienreisen nach Ephesos. Ansonsten verreisen wir nicht mehr ›live‹, sondern senden nur noch unseren Geist auf den Weg. Das Erlebte nehmen wir als genauso intensiv wahr. Wir können jetzt mit unserem verstorbenen, virtuell wiederbelebten Freund Schach spielen. Die Algorithmen der Künstlichen Intelligenz kombinieren seine zu Lebzeiten gesammelten Worte zu unterhaltsamer Konversation. Eltern in Pflegeheimen bekommen viel öfter virtuellen Besuch von ihren Kindern und müssen nicht mehr bis zum Wochenende oder gar Weihnachten warten. Es gibt insgesamt kaum noch ›Sachverhalte‹. Online-Psycho-Beratung, Online-Law, CyberCash, CyberMarketing, CyberSex, … wir vermissen nichts!
Wenn unsere Handlungen digitalisiert sind, werden auch unsere Erfahrungen virtueller Natur sein. Verlernen wir irgendwann die analogen Umgangs- und Lebensformen? Verkümmern dann neben unserem handwerklichen Geschick auch unsere Hände, Arme, Rümpfe? Sehen wir nicht schon heute aufgrund unserer stundenlangen, virtuellen Beschäftigungen vor den ›Fern-Sehern‹ anders, runder und gekrümmter aus? Verflüchtigen sich unsere körperlichen Erlebnisse? Verlassen wir die analoge Welt? Werden wir den Weg zurück in die analoge Welt finden, wenn wir sie erst einmal verlassen haben oder bleiben wir dann in der scheinbaren Echtheit der Virtualität gefangen. Bleiben am Ende nur die echten Grundbedürfnisse für das analoge Leben übrig? Wollen wir das?
In der menschengemachten Ära des Anthropozän erleben wir eine parallele Revolution. Wir überschreiten mit großen Schritten die Grenzen des analogen Lebens hin zu einer Symbiose aus analoger und virtueller Existenz. Der Prozess ist kontinuierlich und schleichend – wir nehmen die Auswirkungen auf unser Leben daher meistens nicht bewusst wahr. Auch in der Kunst lösen sich analoge Grenzen auf und unserer Dasein zwischen körperlichen und virtuellen Realitäten wird vermehrt thematisiert.
In dem Buch »Was gibt’s zu sehen, 150 Jahre Moderne Kunst« von Will Gompertz2 endet der Zeitstrahl der Kunstepochen nach Postmoderne, Minimal Art, Konzept- und Performance-Kunst mit den Namen der aktuellen Künstler-Stars. ›Kunst heute‹ steht am Ende der Zeitreise durch die spannende Kunstgeschichte der Moderne.
Fehlt da nicht etwas?
Die Medienkunst war in ihren Ursprüngen den Foto- und Filmtechniken verbunden. Sie nutzt Media-Technologien wie Film, Video, Fernsehen und Computer als ›Bildträger‹ anstelle von Leinwand und Skulptur. Der Gattungsbegriff ›Medienkunst‹ mit seinen Unterteilungen in ›Digitale Kunst‹, ›Videokunst‹, ›Computerkunst‹, ›Roboterkunst‹ etc. bezeichnet also die bespielten Medien und Tools. Die Kunstgattungen ›Konzeptkunst‹, ›Prozesshafte Kunst‹, ›Generative Kunst‹, ›Interaktive Kunst‹, ›Performative Kunst‹, ›Netzkunst‹, ›Game Art‹ etc. überschneiden und verbinden sich stellenweise mit der Medienkunst. Auch Kunstwerke, die mit den Werkzeugen der Virtuellen Realität umgesetzt werden, bezeichnen sich mit ›VR-Kunst‹ durch einen Gattungsbegiff. Er beschreibt ebenfalls das Medium.
Bei den einschneidenden Veränderungen durch digitale und virtuelle Prozesse geht es nicht um eine weitere Kategorie für eine neue Kunstgattung, sondern um die Beschreibung einer Epoche!
Künstler werden sich zunehmend mit virtuellen Themen auseinandersetzen. Neue digitale Prozesse werden die Kunstproduktion weiter verändern. Die vorgeschlagene Bezeichnung ›Virtuelle Kunst‹ für die jetztzeitliche Epoche spiegelt den Umbruch in unserer Zeit. Es geht nicht um Genres oder Malstile, sondern um eine neue Daseinsform.
Was kommt als Nächstes? Was wird aus der ›bildenden‹ Kunst in einer virtuellen Welt? Werden virtuelle Künstler virtuelle Kunstwerke in virtuellen Museen präsentieren?
Philip Rosedale, Gründer von Second Life, sieht es so voraus: »In einigen Jahren werden wir die reale Welt als Museum betrachten«.3
Wozu die fortwährende und andächtige Verneigung der Kunstwelt vor malerischen Themen, die vor Jahrhunderten die Eliten des Adels und der Kirche bewegten? Vor damaliger Auftragskunst, die heute die längste Zeit in Safes verwahrt wird, der Anschauung entzogen? Vor Bildern, die zu Handels- und Prestigeobjekten mutiert sind, deren astronomische Preise künstlich hochgepeitscht werden? ///
Was will uns heute eine Malerei sagen, die im Grunde genommen alte Ideen kopiert oder variiert? Was haben uns Varianten der Minimal-Art Neues zu sagen, außer Fragen an spezialisierte Kunstkritiker zu stellen? Wo bleiben innovative Formen der Präsentation in den Tempeln der Kunstmuseen? Wen fesselt noch das Ritual der Vernissagen mit Eröffnungsreden voller Worthülsen und Smalltalk mit Sektgläsern vor weißen Galeriewänden? Was bringt die gefilterte, ikonografische Entschlüsselung von Bilddetails durch Museumspädagogen, die ihre Sichtweise auf »wegweisende Werke« verkaufen und die Bilder so ihrer Aura berauben? Warum laufen wir wie Lemminge im Mief der sonntäglichen Besucherschlangen durch langweilige Ausstellungen? ///
Wir brauchen mehr, neue, bisher unentdeckte Kunst und kreative Formen der Präsentation. Wir brauchen die Öffnung und finanzielle Wertschätzung für frische, unbekannte Kunst und Künstler. Es fehlt an mutiger, zeitgenössischer und hinterfragender Kunst in den Museen anstelle der andauernden Mystifizierung des Malers mit dem abgeschnittenen Ohr und der endlosen Reproduktion der Tomatensuppen-Dosen. ///
Draußen vor der Museumstür lesen wir von Plastikpartikeln in Packeisgürteln, Gletscherschmelze, Artensterben, Migration, Dieselskandal, Pflegenotstand, Meinungsfreiheit, Welternährung, Hassbotschaften, Lügenpresse, Kriege … aber drinnen wiederholt sich ungerührt das immer gleiche Schema: »Bedeutende Sammlungen« zeigen »bedeutende Künstler« aus den ›Schubladen‹ Bauhaus, Expressionismus, Impressionismus, Jugendstil, Konstruktivismus, Surrealismus et cetera. Die Brustkörbe der angelernten Besucher schwellen an, wenn sie die richtigen Kunstepochen aufsagen können – wie bei einer Vokabel-Prüfung. Kunstrezeption sollte anders aussehen. ///
Es gibt aufregende Künstler, die bekannte Wahrnehmungsgrenzen sprengen. Viele dieser Kreativen schaffen exzellente Werke, sind gleichzeitig unbekannt und leben unterhalb des Existenzminimums! Es gibt Ausstellungen zeitgenössischer Kunst, die spannend inszeniert sind. Es gibt alternative Präsentationsformate und Diskussionen um den freiwilligen Verzicht auf interkontinentale Museumsbesuche. Aber das Verhältnis von neuen Kunst-Plattformen gegenüber den etablierten Ritualen passt nicht. Die Budgets für städtische Prestige-Neubauten sind unverhältnismäßig hoch. Die sonntäglichen Kulturvisiten in den heiligen Hallen der Museen wirken aufgesetzt. Die Klientel der Sammler und Kunden von Galerien und Auktionshäusern mit ihrer Handelsware Kunst ist abgezirkelt. Die Relevanz von Kunst im Alltag der Menschen stimmt unter anderem auch wegen einer mangelnden Glaubwürdigkeit gegenüber der Kunstszene nicht. Neuzeitliche und abstrakte Kunst hat ein Vertrauens- und damit ein Imageproblem. ///
Kunst sollte stärker in unseren Alltag integriert sein, nicht nur in Form einer Bronzeskulptur auf dem Rathausplatz. Wir sollten uns mit Kunst umgeben, immer und ganz selbstverständlich. Im Straßenbild, in Parks, vor und hinter der Haustür. Kunst sollte so allgegenwärtig sein wie Parkverbotsschilder. Viel mehr Kunst passt auf unsere Gemeinplätze. Für mehr Lebensqualität und ein höheres Kulturlevel. ///
Anmerkungen:
1: Seite ›Virtualität‹. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 24. September 2019, 11:12 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Virtualit%C3%A4t&oldid=192541104 (Abgerufen: 7. Januar 2020, 19:16 UTC)
2: Will Gompertz: »Was gibt’s zu sehen, 150 Jahre Moderne Kunst«. DuMont-Buchverlag, Köln, 2014, Ausklappseiten
3: Eva Wolfangel: »Virtuelle Welten. Große Illustion, echte Gefühle«. GEO-Magazin, Gruner + Jahr, Ausgabe 12/2019, S. 142 ff.
Literaturempfehlung:
Nicole Zepter, ›Kunst hassen. Eine enttäuschte Liebe‹. Tropen Sachbuch.
In den Texten wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit die männliche Form verwendet. Gemeint sind Menschen jedweden Geschlechts.
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Heinz Hermann Maria Hoppe
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